Interview mit Franz Joseph zu "Willkommen im Klub ...", 2005

Hier das Interview mit Franz Joseph - von der MedienManufaktur Wien der Presse zu Verfügung gestellt - anlässlich der Veröffentlichung des Albums WILLKOMMEN IM KLUB DER ERTRÄGLICHEN, 2005.

Vor uns liegt das neue Houseverstand-Album "Willkommen im Klub der Erträglichen". Nach eigener Aussage bietet es auf zwölf Tracks zwölf verschiedene Zugänge zur Musik. Inwiefern?

Franz Joseph: Es ist ein sehr buntes, vielfältiges und musikalisches Album. Ich glaube, es ist ein Album, wie du es heutzutage kaum mehr findest. Verschiedene Genres, verschiedene Herangehensweisen, verschiedene Perspektiven – nicht verwendet, um sich auf eine draufzusetzen und eine Lebenskultur zu predigen, sondern damit mensch wirklich hin- und herspringen und einiges ausprobieren kann. Es hüpft frisch fröhlich vom 80ies Sound zu Reggae, usw ... Das sind meines Erachtens sehr verschiedene Ansätze, das Mittel Musik zu verwenden.

Fehlt da nicht der rote Faden?

Franz Joseph: Mensch kann es schon auf einen gemeinsamen Nennner reduzieren. Das Album lebt zwar vom Stil-Mix, aber ich betone gerne das gemeinsame Mittel - das Mittel Musik. Dieses hat für mich etwas Methodisches. Die Methode zum Transport. Was die Tracks verbindet, ist, dass es generell sehr wortlastige und demnach textfreudige Lieder sind. Es dominiert der Sprechgesang. Ich glaube überhaupt, dass die gesamte Vokalarbeit - von Susanne Kristufek und mir - den Hauptanteil dieser Verbindung übernimmt. Der rote Faden steckt eher im Textlichen, Sprachlichen, in dem: sich Präsentieren. Die Musik fügt sich sehr schön um das, worum es jeweils geht.

Das Album unterscheidet sich sehr von eurem Debüt „Basta Kamarillaz“ ...

Franz Joseph: Dieser inhaltliche rote Faden und die recht formbare Musik entspricht der Urideologie von Houseverstand. Wir ziehen unsere Geschichte durch, öffnen uns aber auch sehr. Nicht nur innerhalb des Albums. Wir arbeiten auffallend oft mit Gästen zusammen. Wir haben "Houseverstand - Nacht der Duette" kreiert, wo wir Gäste aus nicht nur einem Genre eingeladen haben. Inhaltlich beschäftigen wir uns immer wieder mit denselben Themen, aber in der Vermittlung sind wir recht flexibel. Natürlich kommen dann auch verschiedene Werke raus, weil in unterschiedlichen Situationen Unterschiedliches entsteht. Beim ersten Album waren wir weniger Bandmitglieder. Es sind neue Leute dazugekommen, somit auch neue Hirne und neue Ideen. Unser Ansatz war ein ganz anderer als heute. Wenn wir uns an die Entstehung von „Basta Kamarillaz“ erinnern, erkennen wir: es war ein bisschen wie Lego spielen. Wir haben gemeinsam mit unserem damaligen Produzenten Walter Wagenleithner den Sound und unsere Ideen so weit zusammengefügt bis es für uns stimmig war. Das war eine ganz andere Herangehensweise als jetzt, weil jetzt mehr Leute dahinter sind und mehr Leute musikalische Inputs gebracht haben, allen voran unser Drummer Mayer Philipp und unser Produzent Werner Angerer. Und aber auch, weil wir jetzt als Band arbeiten. Wir sind auf der Bühne ein Sextett. Es funktioniert auf der Platte wie auf der Bühne. Es ist musikalisch sehr durchdacht, was wer wann bietet, was auf „Basta Kamarillaz“ überhaupt nicht der Fall war. Da war alles für die Platte durchkonstruiert. Und dann haben wir uns überlegt, wie wir dieses Lego-Bauwerk auf die Bühne bringen. Das ist der große Unterschied. Sonst find ich es einfach gegenwärtiger und aktueller. Ich bin auch als Texter viel zufriedener.

Auf dem Album findet sich das Lied „Männer unter meinen Freunden“ von und mit Ernst Molden. Ihr kooperiert recht häufig mit ihm. Was macht die Zusammenarbeit mit ihm so schmackhaft?

Franz Joseph: Die Zusammenarbeit ist gut, weil sie gut funktioniert. Wir haben mit vielen Künstlerinnen und Künstlern zusammengearbeitet. Der Ernst hat sich bei uns zum Wiederholungstäter entwickelt. Wir uns für ihn auch. Denn wir wollten nach jeder Kooperation einfach noch mehr gemeinsam machen. Die Zusammenarbeit hat bei der zweiten Nacht der Duette angefangen. Da haben wir ihn eigentlich kaum gekannt. Es hat vom Spirit her gut gepasst. Er ist zwar musikalisch und sprachlich ganz woanders, es geht sich aber trotzdem gemeinsam super aus. Der gegenseitige Respekt ist sehr groß. Der Ernst Molden ist ein guter Musiker und ein guter Freund, ein sehr kreativer Mensch und macht Sachen, die sehr gut zu uns passen. Und wir passen sehr gut zu ihm. Wir sind aber trotzdem so unterschiedlich, dass wir uns da gar nicht in die Quere kommen können. Die Duette mit Ernst Molden waren die, wo ich mir nachher gedacht habe, dass es hier am besten gelungen ist, ein gemeinsames Lied zu machen, das ganz einheitlich und gleichzeitig 100% Ernst Molden und 100% Houseverstand ist. Auf dem Album haben wir einen Song von ihm bearbeitet, der ein wunderschönes Houseverstand-Lied und ein wunderschönes Ernst-Molden-Lied ist, obwohl das eigentlich zwei Paar Schuhe sind.

Ihr steht dazu, dass ihr den besserwisserischen Zeigefinger hochhebt und auf höchstem Niveau klugscheißt...

Franz Joseph: Wir beschäftigen uns viel mit gesellschaftlichen Prozessen und Strukturen, mit Menschen überhaupt, wie sie so sind. Das machen Musikerinnen und Musiker oft, und dann sagen sie häufig dazu, dass sie keine politische Band sind und dass sie nicht mit dem Zeigefinger herumdeuten wollen. Wir nennen es „Klugscheißern“ oder „Zeigefinger“, um da Klarheit zu schaffen: Wir wollen das eigentlich schon. Wenn es um Diskussionen zu einzelnen Sachverhalten geht, ist es vielleicht Klugscheißern, denn dann sehe ich den eigenen Standpunkt wesentlich klarer und korrekter als den gegenüberliegenden. Und da deute ich gern mit dem Zeigefinger. Ich korrigiere dann. Es gibt viel zu korrigieren. In einer Auseinandersetzung mit Inhalten ist der Zeigefinger sehr hoch gehoben.

Sind eure Nummern mit persönlichem Inhalt ebenfalls in einem politischen Kontext zu sehen?

Franz Joseph: Eine generelle Regel kann ich da nicht aufstellen. Da müsste ich mir jetzt jedes Lied genau anhören. Wir werden oft gefragt, ob unsere Lieder sozialkritisch oder politisch sind, und um was es da eigentlich geht. Da sag ich immer, es geht um Menschen. Das Album menschelt sehr. Mir ist wichtig, hier nicht zu splitten. Das vergessen Leute oft und sehen das eine in einem gesellschaftspolitischen und das andere in einem privaten Zusammenhang. Mir ist sehr wichtig, dass hier ein Zusammendenken stattfindet und dass das generell und nicht nur im Zusammenhang mit Musik oder unserem Album so gesehen wird. Das ist alles viel näher beieinander. Politische Ereignisse passieren an jedem Wirtshaustisch. Es geht immer um das Zusammenwirken von Menschen, mal aus sehr globaler, mal aus sehr privater Sicht. Es wird nicht jedes persönliche Lied, wo es um den engen sozialen Raum geht, die große politische Message haben. Doch es entstehen immer wieder wiederkehrende Schablonen, die andere Leute dann auch wiedererkennen. Das ist ja eine alte Geschichte in der Popmusik. Wenn du eine Liebesgeschichte schreibst und singst, dann erkennen andere Menschen die Geschichte wieder, weil sie das auch erlebt haben.

Du gehst in deinen Texten sehr verantwortungsvoll mit Sprache um. Du formulierst beispielsweise durchgehend geschlechtsneutral ...

Franz Joseph: Verantwortungsvoller Umgang mit Sprache – Es ist schön, das einmal beurteilt zu bekommen, weil es oft schwer ist, das selbst ganzheitlich zu betrachten. Mensch schreibt zwar lauter Lieder. Aber auch, wenn sie einen sprachlichen Faden haben, ist es ganz schwer, das zu beurteilen, weil mensch von Lied zu Lied ganz anders denkt und arbeitet. Das Geschlechtsneutrale ist für mich ein wichtiger Bestandteil der Sprache. Es ist wichtig, geschlechtsneutral zu sprechen. Es ist noch wichtiger, geschlechtsneutral zu singen. Es ist zwar in Liedern manchmal irrsinnig kompliziert. Aber mensch kann damit auch ganz viel vermitteln. Mensch thematisiert es durch das Tun. Durch diese Lästigkeiten und durch die Kanten, die dadurch entstehen, wird mensch darauf angeredet und kann gleich wieder thematisieren. Die geschlechtsneutrale Sprache ist zum einen ja inhaltlich richtig, weil es zumeist um Menschen beiderlei Geschlechts geht. Zum anderen ist sie aber auch ein guter Störfaktor.

Ihr wollt politische Ästhetik vermitteln. Warum unbedingt das Zusammenführen von Politik und Ästhetik?

Franz Joseph: Ein Konzert, eine Platte, Musik muss irgendwem gefallen, sonst wird es schwierig. Entweder es gefällt ganz vielen oder ganz wenigen speziellen. Aber irgendwem sollte es schon gefallen. Das ist ganz wichtig. Sonst müsste mensch keine Musik machen. Wenn mensch viel sagen will, ein bisschen stören und auch beobachten will, sich ein bisschen lustig machen will, was bei allen Formen des Protests eine Rolle spielt, ist es wichtig, dass mensch das angenehm annehmen kann. Wenn ich auf ein Houseverstand-Konzert gehen will, will ich was Schönes sehen. Da kann mensch auch trinken und Scherze machen. Es soll ein netter 90-Minuten-Abend sein. So wichtig sind die Inhalte dann doch wieder nicht. Sie sind ein wichtiger Bestandteil. Das Interessante ist, dass du, wenn du dich als Band politisch und gesellschaftskritisch äußerst, nur in das eingeordnet wirst – „Aha, ihr seid so eine Partie“. Als wäre dann alles andere gar nicht so wichtig. Es gibt auch bei uns nette Merchandising-Artikel. Wir halten die Regeln der Popmusik ein. Wir würden auch einen Klingelton von einem unserer Lieder machen. Auch um auszudrücken, dass mensch das nicht immer so ausschließen muss – Bin ich jetzt eine lustige Band, die nur über das Wetter singt, oder bin ich eine ernste Band, die politische Lieder singt. Mir ist wichtig, dass es gefällt und dass es auch was sagt. Wenn mensch inhaltlich in die Tiefe geht, kann mensch dabei durchaus auch mit dem Popsch wackeln und muss nicht nur dastehen und ein betroffenes Gesicht machen.

Manchereine/r sieht einen Widerspruch in der Kombination schickes Outfit und Protest. Was sagst du dazu in Anbetracht der Tatsache, dass Houseverstand eine äußerst gut gekleidete Band ist?

Franz Joseph: Das musst du dir dann aber mal genauer anschauen. Wir, die Herren, tragen schon einmal jedes Mal die gleichen Anzüge. Wer mich besser kennt, sieht auch, dass ich privat ebenfalls in dieser Kleidung herumrenn. Der Anzug ist vom C&A und auch nicht sehr schön. Aber du hast recht, die Kleidung ist zwar grindig, wirkt aber vom weiten gesehen im gemeinsamen Zusammenhang in irgendeiner Form elegant. Das gefällt uns grad super. Das war nicht immer so bei Houseverstand. Das hat sich in der großen Besetzung ganz gut ergeben. Vielleicht wird es mal wieder anders. Wir tragen aber unsere Anzüge ohne tieferen Grund. Teure Anzüge sind elitär. Ein Männeranzug an sich ist ja ein eher schlichtes Kleidungsstück. Und unüberlegt: oben schwarz, unten schwarz, immer gleich geschnitten, ohne Originalität. Eigentlich ein ganz einfaches Gewand. Die Susanne Kristufek trägt keinen Anzug, das ist schon ein bissl bunter. Die hat alle heiligen Zeiten ein neues Gwandl.

Ein Kommentar von euch zu „Willkommen im Klub der Erträglichen“: „Eine Platte, die was will.“ Die was will?

Franz Joseph: Sie will gefallen. Sie will zum Zuhören auffordern. Sie will den Houseverstand zeigen, wie er ist: sehr offen. Wir haben auch viele Personen eingeladen mitzuwerken: Angel Rice, Mary von Marynade, Ernst Molden und viele andere Musikerinnen und Musiker sind auf dem Album vertreten. Die Platte will Sprache vermitteln, Musik vermitteln, Beobachtungen vermitteln. Sie will sehr bunte, vielseitige Zugänge vermitteln. Sie will den besagten roten Faden demonstrieren. Das alles will sie. Jetzt werden wir schauen, ob es auch funktioniert.

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